Italienische Momente –
3 Tage ELBA Six Day`s Revival vom 16. – 18. Oktober 2015 in Portoferraio
“Der Veranstalter lässt uns hier sechs Tage lang im leichten Gelände herumfahren, wohlwissend dass seine Landsleute seit Wochen auf den Sonderprüfungsstrecken unterwegs sind!“ So etwa lautete das sichtlich verärgerte Fazit des deutschen Trophyfahrers Heino Büse am Ende der 56. Internationalen Sechstagefahrt auf der Insel Elba, im Oktober 1981. Das deutsche Trophyteam mit Arnulf Teuchert (Hercules), Jürgen Grisse (Zündapp), Klaus-Bernd Kreutz (Zündapp), Bert v. Zitzewitz (Maico), Heino Büse (Maico) und Hans-Werner Pohl (Honda) landete doch mit deutlichem Abstand hinter den mit Heimvorteil ausgestatteten Italienern auf Rang 2, ebenso wie unsere Silbervasenmannschaft in der Besetzung Bernhard Brinkmann, Harald Strößenreuther und Richard Spitznagel. Aber eigentlich hatten unsere deutschen Mannschaftsbetreuer damals bereits bei der Anreise eine dunkle Vorahnung. Natürlich würden die überaus findigen Italiener versuchen, ihren Heimvorteil möglichst geschickt auszunutzen. Den auf die richtig schwierigen Geländestrecken spezialisierten Fahrern aus der Bundesrepublik , der DDR oder der Tschechoslowakei, setzten die Veranstalter ganz gezielt ultraleichte Geländeetappen vor und warteten im Gegenzug mit knüppelharten und superschnellen Crosspisten auf dem Monte Tambone als Sonderprüfungen auf. Und um auch wirklich nichts dem Zufall zu überlassen, hatte man genau diese Sixdays-Areale etwa 4 Wochen vorher dazu genutzt, um dort einen Lauf zur italienischen Geländemeisterschaft durchzuführen. Und so verwunderte es am Ende nicht, dass die Italiener bei ihrem Heimspiel alle wichtigen Wertungen der Veranstaltung gewinnen konnten und mit Allesandro Gritti auch noch den Punktbesten aller Fahrer stellten.
Unser damaliger Trophy-Mann Arnulf Teuchert sieht das heute mit dem zeitlichen Abstand und einer gewissen Altersgelassenheit natürlich viel lockerer, als es damals sein Teamgefährte Heino Büse formulierte: „Das was die Italiener damals gemacht haben, war schon richtig „tricky“! Sie haben den Heimvorteil ganz clever ausgenutzt. Aber alles in allem war es legal und sie haben am Ende auch verdient gewonnen!“
Als im Frühjahr 2015 in der deutschen Enduro-Klassik-Szene die ersten Hinweise von einem in Vorbereitung befindlichen Elba Six-Day`s Revival im Internet auftauchten, dauerte es nicht lange, bis auch Arnulf Teuchert von der Sache Wind bekam. Für ihn war sofort klar, dass er hier dabei sein musste. Nicht nur seine Erinnerungen an dieses große Event waren es, die in ihm das Feuer entfachten. Nein, es war auch die Tatsache, dass in seiner heimischen Garage noch das Original 80ccm Hercules Elba-Werksmotorrad des Jahres 1981 steht und dazu noch in einem rennfertigen Zustand. Eines von nur drei Einzelstücken, welche Hercules damals für ihn und Erwin Schmider exclusiv anfertigte und welche mit den überaus seltenen 6 Gang Sachs-Motoren mit einem Schafleitner-Klauengetriebe ausgestattet wurden.
Was für Arnulf dann folgte, waren viele Gespräche und Telefonate mit ADAC, DMSB, Sportkameraden und möglichen Sponsoren. Dabei galt es dann für ihn auch die eine oder andere Enttäuschung zu verarbeiten. Doch seinem persönlichen Engagement ist es zu letztlich verdanken, dass für das von dem Buchautor und Hercules-Sammler Marcello Grigorov aus Lugano ins Leben gerufene Elba-Revival 2015 sowohl ein deutsches Trophy-Team als auch eine deutsche Vasen-Mannschaft aufgeboten werden konnten. Während sich die Motorsportverbände dezent zurückhielten, konnte er mit Sponsorenhilfe von LEXWARE für die Teamkleidung, Reifen von Metzeler-Butzner oder Ketten von Motorrad Schüller doch einiges auf die Beine stellen, um das Budget seiner beiden Teams zu sichern. Bei fälligen Lizenzgebühren in der Größenordnung von ca. 200 Euro oder dem Mannschaftsnenngeld von 120 Euro eine durchaus sinnvolle Unterstützung.
Und dass sich all diese Mühen gelohnt haben, zeigte sich spätestens bei der Ankunft unserer Teams in der Hafenstadt Portoferraio. Traumwetter mit wolkenlosem Himmel und sehr angenehmen Temperaturen erwartete die 235 Teilnehmer aus 9 Nationen, davon 28 aus Deutschland. Dazu ein tolles Ambiente mit Fahrerlager, Parc Ferme sowie Start/Ziel in Altstadt und Hafen. Geradezu wie gemalt für die vielen wunderbar restaurierten historischen Geländesportmotorräder aus aller Herren Länder. Das was die Italiener da auf die Beine gestellt haben, war tatsächlich eine Kopie der historischen Sixdays-Veranstaltung und zwar im klassikgerechten kleinen Dreitageformat mit Einmarsch der Nationen inkl. Nationalhymnen und Galadinner. Und für die internationalen „Klassik-Fahrer“ hatte man dazu auch noch Geländestrecken ausgesucht, welche diesen Namen wirklich verdienten. „Geländefahrerherz was willst du mehr!“
Doch dann der Schock. Der Veranstalter stört sich an Bernhard Brinkmann`s Lizenzunterlagen. Gleiches gilt für die holländischen und japanischen Trophyfahrer. Auch die dürfen wie Bernhard letztendlich nicht am Hauptwettbewerb teilnehmen sondern müssen in die abgespeckte Gentlemans-Wertung. Unser Trophy-Team ist somit schon vor dem Start geplatzt und kassiert deswegen pro Fahrtag Strafpunkte. Bernhard, der Geländemeister von 1985 fährt seine neu aufgebaute 50ccm KTM Meisterschaftsmaschine aus 1979 trotzdem über drei Tage strafpunktfrei bis ins Ziel. Viele sagen, das schönste Motorrad im gesamten Feld. Arnulf Teuchert, Geländemeister von 1981-1983, auf seiner 80er Hercules, hat die Startnummer 20. Exakt so, wie auch schon im Jahr 1981. Er und Eberhard Weber, der zweimalige Trophysieger auf Zündapp der Jahre 1975 und 1976, fahren nun geschwächt als deutsches Trophyteam. Weber auf einer extra für ihn ausgeliehenen 175 ccm Puch Frigerio. Die zwei erfahrenen alten Hasen geben ihr Bestes und staunen nicht schlecht. Landschaftlich reizvolle Strecken werden von hammerharten Geländestücken wie einer steilen 7 Kilometer langen Geröllsteilabfahrt abgelöst. Da wurden die Unterarme mit jedem Kilometer dicker. Die Enduroprüfung ist super anspruchsvoll und zieht sich kurvenreich über 7 Kilometer über einen sehr steinigen Eselspfad und ist auf Höchstgeschwindigkeiten ausgelegt und das oftmals auch nahe am Abgrund endlang. Eine fast ebenso lange Crossprüfung ist hingegen in einem Olivenhain sehr Trickreich und Anspruchsvoll ausgelegt.
Doch nach einiger Eingewöhnung laufen unsere ehemaligen Stars zu Höchstform auf. Vor allem Eberhard Weber überrascht die Fans von Tag zu Tag mehr. Seit etwa 15 Jahren hat der noch immer sehr sportliche Asket aus Köln kein Rennmotorrad mehr angefasst. Trotzdem liefert er in den Prüfungen eine Spitzenzeit nach der anderen ab. Es wird gefightet wie in alten Zeiten. Natürlich wollen sich die Italiener auch bei ihrem Revival den Trophy-Sieg sichern. Sie haben keine Geringeren als die ehemaligen Spitzenfahrer Franco Muraglia (54), Gualdero Brissoni(59) und Allesandro Gritti(68) aufgeboten. Doch auch sie müssen kräftig Federn lassen. Grittis Kramer springt am Start nicht an und später geht auch noch sein Motor fest. Und unser Udo Meier vom fränkischen Silbervasenteam nimmt Muraglia bei den 125ern mehrfach wichtige Sekunden ab, so dass auch der Italiener seine Gilera im Übereifer fast verheizt. Und als schließlich auch noch Brissoni, mit seiner 125er Kramer an einer ZK zu spät stempelt, fallen die Italiener endgültig auf Rang 4 zurück. Unsere -durch den Organisator- geschwächte Truppe bringt hingegen strafpunktfrei einen blitzsauberen dritten Rang hinter Großbritannien und Frankreich ins Ziel der Trophy-Wertung. Dabei gab es allenfalls eine kurze Aufregung am Fahrtag zwei. An der Teuchert 80er durchschlägt ein Stein den Auspuffkrümmer. Doch der versierte Tüftler kann den „Gefäßschaden“ mit Kaltmetall aus der Tube, Schlauchbindern und einer Coladose in einer chirurgischen Notoperation rasch beheben und die Etappe fehlerfrei zu Ende fahren.
Ein aus nordbayerischen Fahrern (Horst Bauer, Udo Meier und Heinz Schmidt) zusammengestelltes Team für die Silbervasenwertung erreichte nach 3 Tagen und insgesamt 5 Geländerunden einen sehr guten 3. Platz in diesem Klassement. Durch die 28 deutschen Akteuren, von denen 24 das Ziel erreichten, wurde der deutsche Enduro-Klassiksport in Italien hervorragend repräsentiert. Dass gerade der „Neueinsteiger“ Eberhard Weber als 21. der Gesamtwertung zugleich punktbester deutscher Fahrer werden würde, hat er sich sicher vorher nicht annähernd vorstellen können, als er sich zu diesem Abenteuertrip überreden ließ. Der Hardy, wie er früher im Zündapp Team gerne gerufen wurde, hat nichts, aber auch gar nichts von seinem weltmeisterlichen Fahrkönnen verlernt. Die nächsten Ränge im Gesamtklassement belegten Udo Grein (26), Udo Meier (28).
Als dann am Abend nach der Veranstaltung die deutschen Teilnehmer allesamt zufrieden bei ihrem Lieblingsitaliener mit Pizza und Vino Rosso dinierten stand als Resümee fest. Das Elba-Revival war eine ganz tolle Angelegenheit und zudem ist uns zumindest eine freundschaftlich – moralische Revanche für die Niederlage im Jahr 1981 gegen die ital. Sportfreunde gelungen.